29. Januar 2023

Aus der Serie "Rennbericht von Gilles Roulin": Cortina - eine Perle im Herzen der Dolomiten

Da sich der Weltcupkalender von Jahr zu Jahr jeweils relativ stark ähnelt, kommt es nicht mehr so oft vor, dass ich an einen Ort komme, an dem ich zuvor noch kein Rennen bestritten habe. Dieses Wochenende ist es jedoch exakt zu diesem seltenen Ereignis gekommen. Cortina – eingesprungen für Garmisch, wo aufgrund der nichtvorhandenen Schneelage keine Rennen durchgeführt werden konnten – erklärte sich bereit, zwei Super-G Rennen zu veranstalten.

Ich freute mich aus mehreren Gründen ganz besonders auf diese Rennen. Erstens habe ich mich auf die wunderschöne Landschaft in den Dolomiten gefreut. Zweitens auf das leckere italienische Essen, welches nie enttäuscht, und drittens auf eine neue Piste, die ich nur aus dem Fernsehen und von den Frauenrennen her kannte.

Gerade im Super-G ist eine neue Piste immer eine besondere Herausforderung; sind doch die Geschwindigkeiten auf der Rennstrecke nur unwesentlich tiefer als in der Abfahrt. Nur finden im Unterschied zur Abfahrt keine Trainingsfahrten, in denen man sich einen Eindruck von der Strecke verschaffen kann, statt. Deshalb hiess es am Samstag direkt: Auf die Plätze, fertig, los!

Charakteristisch für die Piste Olimpia delle Tofane sind die vielen Wellen und Übergänge, die dazu führen, dass es viele Tore gibt die man intuitiv anfahren muss weil man das darauffolgende Tor nicht sehen kann. Von besonderer Bedeutung ist daher die Besichtigung, während welcher wir Rennfahrer die Strecke runterrutschen, bei ausgewählten Abschnitten mit den Trainern Rücksprache über mögliche Linien halten und auch immer wieder ein Stück hochlaufen, um eine «blinde» Stelle – wenn man eben nicht sieht, wo das nächste Tor steht – nochmals abzurutschen. Die Besichtigung dauert jeweils 75 Minuten und auf einer Piste wie der Olimpia delle Trofane nutzen die meisten Fahrer diese Zeit aus gutem Grund auch ziemlich genau aus.

Ich ging mit der Startnummer 38 ins Rennen. Der Startabschnitt ist mir nicht so gelungen, wie ich mir das vorgestellt habe. Von daher war mein Gefühl, dass ich bereits weit zurückliege und in den letzten zwei Dritteln der Strecke unbedingt gute Kurven brauche. Die Kurssetzung war eher drehend und folglich das Tempo gefühlt nicht hoch. Auch als ich über die Ziellinie fuhr, hielt dieses Gefühl, eher langsam unterwegs zu sein, noch immer an. Die Freude war daher besonders gross, als auf der Anzeigetafel eine 12 aufleuchtete. Leider war mein Startabschnitt wirklich nicht gut, sodass noch 4 Fahrer an mir vorbeiziehen konnten. Trotzdem war der Platz 16 ein schönes Resultat für mich, über das ich mich freuen konnte.

Am zweiten Tag hat unser Trainer den Lauf gesteckt. Die Tore waren weniger aus der Richtung gesetzt, was zu bedeuten hatte, dass von einem Tor zum nächsten weniger Radius notwendig war als am Tag zuvor. Ergo war das Tempo höher. Dieses höhere Tempo führte jedoch auch zu einer Veränderung der Fliehkräfte; die Wellen kickten mehr, sodass man jeweils auch weiter gesprungen ist. Von den ersten 10 Läufern sind gerade einmal 4 ohne gröbere Schnitzer ins Ziel gekommen und auch im späteren Verlauf des Rennens gab es viele Ausfälle. Ich hatte mir meine Taktik zurechtgelegt und war sehr konzentriert am Start. Leider habe ich den Radius über die zweite grössere Welle etwas zu stark geschlossen. Das war aus zwei Gründen sehr ungünstig. Erstens war die Welle dadurch giftiger und ich bin weiter geflogen und zweitens stimmte meine Richtung überhaupt nicht für die nächste Kurve, die besonders wichtig war, da sie auf ein Flachstück hinausführte. In Gedanken habe ich mit mir selbst geschimpft und mich einen Idioten gescholten. Wie am Vortag brauchte es nun zwei sehr gute Drittel, um noch einen ordentlichen Rang herauszufahren. Ein Grossteil der Strecke habe ich in der Folge auch gut passiert, sodass es im Ziel zum 17. Zwischenrang gereicht hat. Diesen 17. Platz konnte ich in der Folge bis zum Ende des Rennens erfolgreich verteidigen. Nicht vollends zufrieden, aber doch zuversichtlich, darf ich mich von Cortina verabschieden.

Gilles